Den folgenden Beitrag kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung [da Rezensionsexemplar].
|
(c) Bildrechte: Heyne Hardcore |
"Schwarzer Leopard, Roter Wolf"
von Marlon James
Originaltitel: Black Leopard, Red Wolf
Verlag: Heyne Hardcore, 2019
Band 1 von 3 | 832 Seiten
[HC] ISBN: 978-3-453-27222-4
~Klappentext~
Sucher, der Jäger mit dem besonderen Sinn, wird vor seine schwierigste Aufgabe gestellt. Er muss einen Jungen aufspüren, der vor drei Jahren spurlos verschwand. Seine Fährte führt ihn durch Wälder und Städte, zu Gestaltwandlern, Ausgestoßenen und Hexen. Aber kann er den Jungen retten und die Welten wieder in Einklang bringen?
~Meine Meinung~
Der Erzählstil in "Schwarzer Leopard, Roter Wolf" ist recht verworren und gerade zu Beginn wird oft zwischen verschiedenen Erzählebenen hin- und hergesprungen. So sitzt der Protagonist - nur Sucher genannt - im Gefängnis und erzählt einem Inquisitor seine Lebensgeschichte. Diese ist die Haupthandlung des Romans. Doch innerhalb dieser Erzählung schweift Sucher immer wieder zu zeitlich abweichenden Nebengeschichten ab, deren Sinn für die Handlung nicht immer nachzuvollziehen ist. Begonnen wird dabei u.a. bei Suchers Flucht aus dem Elternhaus, seiner ersten Begegnung mit dem Leopard - einem Gestaltwandler - und der gemeinsamen Rettung von einigen Waisenkindern. Danach folgt ein Zeitsprung von fünf Jahren und erst danach beginnt mit der Suche nach einem Jungen die eigentliche Geschichte.
Bis etwa Seite 400 war mir die Geschichte dabei völlig egal. Erst die vielen Handlungssprünge, die keinen roten Faden erkennen ließen, dann die Geschichte rund um den Jungen, der so geheimnisumwoben ist, dass Sucher eigentlich nichts über ihn weiß und ihn jeder seiner Auftraggeber weitestgehend im Dunkeln lässt oder gar belügt. Dazu ein ständiges eifersüchtiges Hin und Her zwischen Sucher und Leopard. Das alles nervte mich eher als mich zu unterhalten. Hinzu kam eine Szene um Seite 250 herum, die ich so abstoßend fand, dass ich das Buch schon abbrechen wollte. Ja, bei "Heyne Hardcore" sollte man mit vielem rechnen, aber Marlon James hat eine Welt geschaffen, in der sexuelle Gewalt an der Tagesordnung ist, Verwaltigungen zur Normalität gehören und Sex mit Kindern oder Tieren zwar als schrecklich dargestellt wird, aber dennoch regelmäßig vorkommt und auch beschrieben wird. Definitiv nichts für schwache Nerven... Interessanterweise waren die Aspekte aber vor allem zu Beginn des Romans nahezu allgegenwärtig, während sich ab etwa Seite 400 herum dann auf die eigentliche Handlung konzentriert wurde, und es dann vor allem auf nicht-sexueller Basis brutal zuging. Das erweckte bei mir schon irgendwie den Anschein, als würde Marlon James erstmal schocken wollen, bevor er die eigentliche Geschichte erzählt. Vor allem da viele der besagten Szenen keine besondere Relevanz für die Handlung oder die Charakterentwicklung besaßen.
Nach Seite 400 kam die Handlung aber endlich in Fahrt, konzentrierte sich auf die Suche nach dem Jungen und das Geheimnis rund um ihn wurde zunehmend gelüftet. Die Orte, die Sucher und seine Gefährten auf der Suche bereisen, waren vielfältig und immer interessant gestaltet. Karten an den Kapitelanfängen erleichterten den Überblick.
Und dann konnte mich die Geschichte auch endlich fesseln. Hier fiel mir auch positiv auf, dass Leopard eine ganze Weile keine große Rolle mehr spielte und Sucher einen neuen Freund und späteren Liebhaber fand, der mir deutlich sympathischer war als Leopard und auch in der Kombination mit Sucher weniger nervtötend war. Das lockere die ernste, düstere Stimmung etwas auf.
Auch wenn mir die sexuelle Gewalt zuweilen zu verstörend wurde, hat mich die grausame, brutale Welt angelehnt an afrikanische Mythen und Sagen mit vielfältigen Fantasyelementen fasziniert. Marlon James beschreibt sie bildgewaltig, weiß immer wieder mit neuen Aspekten zu überzeugen. Dabei ist das Werk keine leichte Kost, man muss aufmerksam lesen, um alles aufzunehmen und die Zusamnmenhänge zu verstehen. Der Schreibstil ist angefüllt mit Vergleichen und Metaphern, langen, zum Teil verworrenen Sätzen voller Doppeldeutigkeiten und poetischen Ansätzen. Ein Blick in die Leseprobe ist vorher definitiv zu empfehlen.
Dialoge sind eher seltener, zumeist wird entsprechend der Ausgangssituation nacherzählt. Kommen Dialoge vor, wird die wörtliche Rede fast ausschließlich für sich gestellt, der Leser muss selbst herauslesen, ob etwas ironisch, ernst oder sonst wie gemeint ist.
Dadurch bleibt eine Distanz zu Sucher und den anderen Charakteren bestehen - Freund oder Feind, wahre Absichten - das erschließt sich dem Leser nur zögerlich. Und es führt auch dazu, dass man Beweggründe nicht unbedingt versteht. Beispielsweise bedeuten die Kinder, die Sucher zu Beginn rettet, ihm später sehr viel, was emotional bei mir aber nicht ankam und mich daher doch ziemlich irritiert hat.
Es handelt sich der Beschreibung nach zwar um einen Trilogieauftakt, das Ende ließ bei mir aber kaum Fragen offen, sodass es auch als Einzelband gelesen werden kann.
Insgesamt lässt mich "Schwarzer Leopard, Roter Wolf" zwiegespalten zurück. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gelesen, was den Schreibstil angeht, und auch das Setting ist für einen Fantasy-Roman eher ungewöhnlich, sodass mich der Roman in der Hinsicht durchaus überzeugen konnte. Doch gleichzeitig konnte mich die Handlung über lange Zeit nicht packen und die Charaktere bleiben durchgehend distanziert. Die häufigen Sprünge in der Erzählreihenfolge wirkten auf mich auch leider eher verwirrend als spannungssteigernd. Empfehlen kann ich es aber jedem, der vor brutalen Fantasy-Welten nicht zurückschreckt und mal eine recht spezielle Erzählweise kennenlernen möchte.
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über das Bloggerportal! Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.