Sonntag, 22. Dezember 2019

[Rez] "Die Worte der weißen Königin" von Antonia Michaelis

(c) Bildrechte: Oetinger
"Die Worte der weißen Königin"
von Antonia Michaelis
Verlag: Oetinger, 2011
Einzelband | 272 Seiten
[HC] ISBN: 978-3789142918 | [TB] ISBN: 978-3841502704

~Klappentext~
Niemanden beneidet Lion mehr als die Seeadler, wenn er sie beobachtet, wie sie hoch am Himmel kreisen, frei und glücklich. Bei ihm zu Hause, in dem Dorf an der Ostsee, gibt es nicht viel, auf das man neidisch sein könnte. Immer häufiger verwandelt sein Vater sich im Alkoholrausch in den gewalttätigen schwarzen König. Als Lion es nicht mehr aushält, flüchtet er in den Wald zu den Adlern. Doch das Leben dort ist hart, und immer wieder denkt Lion an die weiße Königin, die alte Frau, die ihm einst so wunderbar vorgelesen hat. Durch sie hat er den Zauber der Worte, ihre Wärme und Kraft entdeckt.
~Meine Meinung~
Wie von Antonia Michaelis gewohnt, werden auch in "Die Worte der weißen Königin" Realität und Einbildung verwoben und dabei ein schwieriges Thema behandelt - in diesem Fall Kindesmisshandlung. Mich konnte der Roman an die Seiten fesseln, auch wenn er eher ruhig ist, mich aber nicht in allen Punkten vollends überzeugen.

Lion lebt in ärmlichen Verhältnissen mit seinem Vater in einem Haus etwas abseits der umliegenden Dörfer an der Ostsee. Doch er vermisst nichts, ist mit der Freiheit in der Natur recht glücklich und lernt viel von seinem Vater, z.B. über die Jagd. Denn Lions Vater fehlt oft das Geld, um Essen zu kaufen und lebt zum Teil über die illegale Jagd im Wald vor dem Haus. Doch die Zeiten ändern sich und Lions Vater gerät in die Arbeitslosigkeit und ertrinkt sein Selbstmitleid und seine Hoffnungslosigkeit in Alkohol - und lässt seine Wut auf die Welt brutal an Lion aus. Bis Lion eines Tages von zuhause weg läuft. Seine einzige Hoffnung auf Besserung ist die "weiße Königin", eine alte Dame, die vor einiger Zeit im Nachbardorf den Kindern Geschichten vorgelesen hat, die Lion so begeistert haben, dass er sie als Zufluchtsort wählte. Doch schon lange ist die "weiße Königin" nicht mehr dort gewesen - wie soll er sie finden? 

Die Geschehnisse bei Lion daheim bauen sich am Anfang des Romans zunehmend in eine erschütternde Richtung auf. Es wird gezeigt, was Alkohol anrichten kann, denn im nüchternden Zustand ist Lions Vater ein liebender Mensch, dem alles furchtbar leid tut. Im Rausch hingegen tut er seinem Sohn furchtbare Schmerzen an. Doch er kommt nicht von seiner Sucht los und Lion tut schließlich das einzige, was ihm einfällt: flüchten. Hilfe von Außerhalb lehnt Lion ab, aus Angst, was dann mit ihm und seinem Vater passieren wird. Hier zeigt sich mal wieder, dass Kindern oft das Verständnis fehlt, was Hilfe beinhalten kann und dass man sich die Mühe machen sollte, bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung, dem Kind die Angst vor den Folgen zu nehmen, wenn es sich Hilfe sucht. Lion tat mir wirklich sehr leid und ich konnte verstehen, dass er schließlich sein Heil in der Flucht sucht.

Er versteckt sich im Wald, wo er auf seine Schwester Olin trifft, die dort angeblich schon seit vielen Jahren lebt, aus Angst vor dem Vater. Sie hilft Lion immer wieder, sich in der Natur selbst zu versorgen. Zudem begleitet Lion ein Seeadler, den er vor Jahren gesund gepflegt hat und der nun zahm ist.
Lions Zeit in der Natur fand ich interessant und mutig. Er findet immer wieder einen Weg, zu überleben, wobei ihm seine Fantasie und das Gelernte von seinem Vater sehr hilft. Seine Suche nach der "weißen Königin" zieht sich als roter Faden durch die weitere Handlung und durch Glück findet Lion immer wieder Hinweise auf ihren Verbleib und den Weg dorthin. Doch er setzt sich auch einigen Gefahren aus, was Spannung in die sonst eher ruhige Handlung bringt. Man merkt dabei richtig, wie Lion erwachsender wird, was eine wichtige Voraussetzung für das Ende des Romans ist, denn dort muss Lion eine schwierige Entscheidung treffen...

Besonders gefallen hat mir Lions Liebe zur Natur und v.a. zu den Seeadlern. Es sind tolle Vögel, was leider nicht jeder so sieht. Allerdings werden sie hier schon arg vermenschlicht und die Bindung, die zwischen Lion und seinem Seeadler besteht, wäre in der Realität sicherlich nicht möglich.
Ansonsten vermischt sich auch in diesem Roman wieder Realität und Einbildung, allerdings fand ich den Part hier im Vergleich zu anderen Romanen der Autorin sehr eindeutig, was etwas den besonderen Reiz davon nahm und mir eher überflüssig erschien.
Verpackt ist alles in den gewohnt leicht poetischen und flüssigen Schreibstil der Autorin, der - wie ich fand - einen harten Kontrast zu dem Leid darstellte, das Lion erfahren musste.

Insgesamt ein schönes Buch mit einem schwierigen Thema, verpackt in eine kurzweilige Handlung mit besonderen Elementen, die zum Nachdenken anregt - aber in ein paar Punkten für meinen Geschmack etwas too much war.

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