Mittwoch, 19. Februar 2020

[Rez] "Unsichtbare Frauen" von Caroline Criado-Perez

Den folgenden Beitrag kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung [da Rezensionsexemplar].
(c) Bildrechte: btb
"Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert"
von Caroline Criado-Perez
Originaltitel: Invisible Women. Exposing data in a world designed for men
Verlag: btb, 2020
Sachbuch | 496 Seiten (inkl. Quellenangaben)
[TB] ISBN: 978-3-442-71887-0

~Klappentext~
Unsere Welt ist von Männern für Männer gemacht und tendiert dazu, die Hälfte der Bevölkerung zu ignorieren. Caroline Criado-Perez erklärt, wie dieses System funktioniert. Sie legt die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Erhebung wissenschaftlicher Daten offen. Die so entstandene Wissenslücke liegt der kontinuierlichen und systematischen Diskriminierung von Frauen zugrunde und erzeugt eine unsichtbare Verzerrung, die sich stark auf das Leben von Frauen auswirkt. Kraftvoll und provokant plädiert Criado-Perez für einen Wandel dieses Systems und lässt uns die Welt mit neuen Augen sehen.
~Meine Meinung~
In "Unsichtbare Frauen. Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert" fasst Caroline Criado-Perez in sechs Übergeordneten Kapiteln zu den Themenbereichen Alltagsleben, Arbeitsplatz, Design, Arztbesuch, Öffentliches Leben und Wenn etwas schiefgeht aktuelle Studien, Statistiken und sonstige Erkenntnisse zur Benachteiligung von Frauen zusammen. Entsprechend werden viele Zahlen genannt, aber stets auf eine Art, dass sich dem Text gut folgen lässt und die Ausführungen nicht zu breitgetreten, sondern sehr verständlich und übersichtlich zusammengefasst werden. Es liest daher regelrecht kurzweilig. Bezogen wird sich dabei auf weltweite Erkenntnisse, nicht auf ein bestimmtes Land.
Gerade durch die #MeToo-Debatte wurde die Benachteiligung von Frauen wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen gerückt, sodass dieses Buch als gelungenes Rundum-Nachschlagewerk angesehen werden kann, falls man sich etwas näher darüber informieren möchte, wo Frauen - außer am bekannten Beispiel Arbeitsplatz - noch schlechter dastehen als Männer.

Beschrieben werden dabei auch Bereiche, über die ich selbst bisher kaum nachgedacht habe, z.B. das Design von Smartphones oder Klavieren, die an große Hände angepasst sind, also für die meisten Frauen (und wenige Männer) nicht praktikabel sind. Dadurch, dass so unterschiedliche Themenbereiche angesprochen werden, ist auch sicherlich für jede*n Leser*in etwas dabei, was er*sie noch nicht wusste. Besonders spannend fand ich das Kapitel über (fast immer männerbezogene) Forschung in der Medizin und dass es eben doch zum Teil eindeutige biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt (bis auf Zellebene!), die dazu führen können, dass frau schlechter medizinisch behandelt wird.
Es werden also durchaus interessante und zum Teil große Datenlücken beschrieben, die auf das Leben von Frauen erhebliche Auswirkungen haben können.

Es ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass weltweite Studien und Erkenntnisse in den Kapiteln zusammengeworfen werden, obwohl die zugrunde liegenden Probleme oftmals sehr landesspezifisch sind. Natürlich sollte man auf sie aufmerksam machen und sie ausbessern, aber kulturelle und wohlstandsbedingte Unterschiede zusammenzuwerfen, verzerrt die Aussagen zu einer Allgemeingültigkeit, die ich so nicht unterschreiben würde. Immerhin wurde mir durch die Lektüre sehr bewusst, dass es Frauen in Deutschland unfassbar gut haben im Vergleich zu vielen anderen Teilen der Welt (relativ betrachtet - auch hier gibt es selbstverständlich weiteren Verbesserungsbedarf). Allein, dass wir ein Jahr lang Anrecht auf Elterngeld und -zeit sowie Kündigungsschutz in der Zeit haben, ist im Vergleich zu fast allen anderen Ländern der Welt richtiger Luxus.
Aber solche positiven Beispiele kommen in dem Werk auch etwas zu kurz - es klingt vielmehr oftmals so, als wäre "alles grundsätzlich schlecht". Allerdings liegt der Fokus eben auch auf Datenlücken und dadurch bedingter ungleicher Behandlung von Mann und Frau. Es geht hingegen nicht darum, Lösungsansätze zu zeigen.
Und das ist neben der Pauschalisierung mein zweiter Kritikpunkt: Mir fehlten bei all den spannenden Ausführungen die Beispiele, wie man es besser machen soll. Klar, mehr Daten erheben, auswerten und Änderungen umsetzen. Aber wer, wo und wie? Ich als weibliches Individuum weiß jetzt jedenfalls nicht, an wen ich mich wenden soll, um beispielsweise die Forschung an Herzinfarkten bei Frauen zu unterstützen.

Außerdem wird regelmäßig erwähnt, dass Frauen den Löwenanteil der "Care-Arbeit" leisten (darunter fallen Haushalt, Kochen, Einkaufen, Kinder und andere Verwandte versorgen usw.) und man es ihnen erleichtern sollte, Kinder und Karriere zu verbinden. Frauen würden auch eigentlich nie freiwillig in Teilzeit arbeiten, wenn sie die Wahl hätten. Dass es eine gute Lösung wäre, auch mehr Aufgaben von Männern erledigen zu lassen oder "Care-Arbeit" zu einem gewissen Maß der Rente anzurechnen, kommt total zu kurz. So viel zum Thema "Gleichberechtigung". ;)

Wenn man diese Punkte aber außen vor lässt und es als reine Bestandsaufnahme ansieht, ist Caroline Criado-Perez mit "Unsichtbare Frauen" eine großartige Recherche von vorhandenen Datenlücken gelungen, die mit zahlreichen Quellen belegt sind. Das Werk ist informativ und kann sicherlich einigen Leser*innen die Augen öffnen, in welchen - teilweise auch gar nicht so offensichtlichen Bereichen - Frauen benachteiligt sind. Ich werde das Buch auch definitiv in meinem Bekanntenkreis weiter empfehlen.
Vielen Dank an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars über das Bloggerportal!
Meine Meinung wurde dadurch nicht beeinflusst.

4 Kommentare:

  1. Hallo Alica,

    vielen Dank, dass du mich auf dieses Buch aufmerksam gemacht hast. Ich habe Soziologie studiert, weshalb mich das Buch sehr anspricht.

    Über viele Dinge denkt man im Alltag gar nicht nach, so wie du es beim Klavier beschrieben hast. Auf solche Dinge lasse ich mich gern aufmerksam machen.

    Deine Kritikpunkte kann ich sehr gut nachvollziehen und es sind Dinge, die mir vermutlich auch negativ auffallen werden. Aber mich macht das Thema viel zu neugierig, als dass ich es nicht doch versuchen möchte :)

    Liebe Grüße
    Julia

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    1. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es dir gefallen wird! :)
      Auf deine Meinung dazu bin ich schon gespannt!

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  2. Hallo liebe Alica,

    ich habe dieses Buch auch kürzlich entdeckt und bin auch schon längst auf das Thema aufmerksam geworden. Die Auseinandersetzung finde ich an sich super interessant, spiegelt sie nicht zuletzt eben das patriarchale System wider. Was definitiv ein spannender und oft vernachlässigter Konfliktpunkt ist, sodass ich mir das Buch definitiv näher ansehen werde. ^^

    Ganz liebe Grüße ♥

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    1. Mir war vor der Lektüre auch gar nicht so bewusst, wo frau überall benachteiligt wird - ob nun absichtlich oder "weil mann es nicht besser weiß" ist da ja recht egal. Es sollte definitiv mehr darauf aufmerksam gemacht werden! :) Ich bin auf deine Meinung dazu gespannt! ♥

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