Donnerstag, 27. Dezember 2018

Klassiker-Rückblick 2018

Wie der ein oder andere aufmerksame Blog-Leser mitbekommen hat, lese ich seit diesem Jahr wieder vermehrt Klassiker - oder habe es mir zumindest vorgenommen. Rezensionen möchte ich zu den Werken nicht verfassen, denn häufig ist ja allein der teilweise sehr ungewohnte Schreibstil für den ein oder anderen Leser abschreckend oder damalige gesellschaftliche Normen passen ins heutige Weltbild nicht mehr rein.
Aber eine Kurzmeinung lasse ich euch gerne da und vielleicht fühlt sich der ein oder andere dann doch motiviert, auch älterer Literatur eine Chance zu geben. :)


"Siddartha" von Herman Hesse
Dieser Roman wird wohl immer aktuell sein, denn es geht um die Suche nach dem Lebenssinn. Was macht uns glücklich? Was brauchen wir, um zufrieden zu sein? Der junge Mönch Siddartha bringt im Laufe der Handlung eine weite Reise - sinnbildlich wie wortwörtlich - hinter sich und findet immer neue Dinge, die ihn eine Zeit lang glücklich(er) machen. Doch immer kommt eines Tages der Punkt an dem er "mehr" will und wieder neu zu suchen beginnt.
Ich fand dieses Werk großartig. Man wird direkt nachdenklich, stellt sich selbst immer wieder die Frage, was man eigentlich sucht. Wirklich neue Ideen oder Gedankenansätze hat mir das Werk zwar nicht gebracht, aber allein die Art wie erzählt wird, auf diese poetische, melancholische Weise, war richtig, richtig klasse. Und immerhin schadet es ja nicht, sich regelmäßig zu fragen, ob man etwas am eigenen Leben ändern möchte, oder? :)

"Oliver Twist" | Charles Dickens
Der titelgebende Held der Geschichte wächst in einem Waisenhaus auf und landet in seiner Jugend nach einer Reihe unerfreulicher Ereignisse bei einer Diebesbande in London, vor der er ebenfalls zu flüchten versucht. Doch diese wollen ihn nicht so leicht davon kommen lassen... Schon von Beginn an spürt man Mitgefühl für den armen Oliver, der ständig vom Regen in die Traufe gerät, obwohl er eigentlich ein ehrlicher, hilfsbereiter Junge ist, der keiner Fliege etwas zu Leide tun könnte. Mich konnte der Roman fesseln und ich habe mit Oliver mitgefiebert und auf ein Happy End gehofft. Charles Dickens ist es wirklich gelungen mit wenigen Worten eine mitreißende Geschichte zu schaffen. Zwar bedient er viele Klischees und Stereotypen und gerade die Auflösung der Ereignisse ist ein großer Haufen verrückter Zufälle, aber das tut meiner Meinung nach der Spannung keinen Abbruch. Ich habe den Roman auf jeden Fall sehr gerne gelesen!

"The Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde and Other Stories" | Robert Louis Stevenson
Ich habe Dr Jekyll und Mr Hyde im englischen Original gelesen. Der Band enthält auch weitere Kurzgeschichten des Autors, von denen ich aber noch nicht alle gelesen habe. Die Hauptgeschichte mochte ich sehr gerne. Zwar war die Wortwahl doch teilweise für heutige Verhältnisse witzig zu lesen und nahm den Ernst etwas heraus (es wird z.B. oft das gute Aussehen mancher Herren beschrieben sowie ihre fröhliche, genießerische Art - was man heute wohl eher in romantischer Frauenliteratur erwarten würde), dennoch vermochte "Dr Jekyll and Mr Hyde" zu fesseln und die Beschreibung und Aufklärung des Geschehens war dramaturgisch geschickt dargestellt.
Die anderen Geschichten haben mir dagegen bisher eher weniger gefallen, da ihnen oft der Rote Faden fehlte.

"Die verlorene Ehre der Katharina Blum" von Heinrich Böll
Hier wird beschrieben wie übertriebene und erlogene Zeitungsberichte der "ZEITUNG" (="BILD") eine junge Frau zu einem Mord treiben. Die Handlung wird sachlich, aber mit Ironie beschrieben und ist insbesondere im historischen Kontext interessant. Allerdings bleiben die Charaktere oberflächlich und auch mit Katharina kann man nicht richtig mitfühlen, da das Buch sehr unemotional geschrieben ist.

"Unterm Rad" | Hermann Hesse
Nachdem mich "Siddartha" so begeistern konnte, wollte ich mehr von Hermann Hesse lesen. In "Unterm Rad" erzählt er die Geschichte eines fleißigen, intelligenten Jungen, dem der äußere Lern-Zwang durch sein Umfeld sowie der eigene Ehrgeiz in ein Burn-Out treiben. Natürlich gab es den Begriff damals noch nicht, aber die Beschreibungen des Gemütszustandes von Hans lassen schon deutlich durchblicken, was mit ihm los ist. Insgesamt ist der Kurzroman aber weniger fesselnd als "Siddartha", da sich das Geschehen trotz der Kürze in die Länge zieht.

"Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" | Rainer Maria Rilke
Da ich die Gedichte von Rilke sehr mag, habe ich mich an seinen einzigen Roman gewagt. Doch das stellte sich als mühsam heraus. Die Aufzeichnungen erzählen aus dem Leben eines jungen Mannes, der arbeitssuchend nach Paris geht, um neue Erfahrungen zu sammeln und Geld zu verdienen. Doch er scheint depressiv und vom Leben enttäuscht zu sein, denn immer wieder hat er furchtbar trübe Gedanken, flüchtet vor fremden Menschen, fühlt sich ständig beobachtet und bewertet. Er berichtet auch immer wieder aus seiner Kindheit und verschiedenen Gegebenheiten, die sich da zugetragen haben. Aber auch das immer irgendwie negativ geprägt und mit dem Tod und Masken, die jeder Mensch trägt, als ständiges Thema. Gelegentlich sind auch wirre Gedankengänge eingestreut, die keinen wirklichen Zusammenhang zu den anderen Inhalten ergeben. Es wirkt alles in allem als hätte jemand recht wahllos seine Gedanken in ein Tagebuch geschrieben. Und das macht das Werk verdammt anstrengend zu lesen, sodass ich nie mehr als 10 Seiten am Stück geschafft habe und dann auch immer erstmal selbst ganz bedrückt war.
Positiv sind Rilkes poetische Worte, die des öfteren wirklich schöne, nachdenklich stimmende Sätze ergeben und sich gut als Zitate eignen. :P
Daher: Lest lieber Rilkes Gedichte!


~~~*~~~*~~~ 

Meine Leseplanung für 2019 sieht bisher diese sechs Klassiker vor:

"The Picture of Dorian Gray" von Oscar Wilde
"The Great Gatsby" von F. Scott Fitzgerald
"Moby Dick" von Herman Melville
"Maria Stuart" von Friedrich Schiller
"Die Räuber" von Friedrich Schiller
"Homo Faber" von Max Frisch

4 Kommentare:

  1. Hallo Alica,

    ich lese auch gern Klassiker, allerdings eher selten. Mit Rezensionen halte ich mich da meist auch zurück, weil mir das zwischen den Zeilen lesen nicht so liegt und ich daher das Gefühl habe, die Bücher sowieso nicht umfassend besprechen zu können.

    "Siddartha" habe ich von meiner Tante geschenkt bekommen, als bei meinem Vater Krebs diagnostiziert wurde. Mir hat es damals auch sehr gefallen und ich möchte es eigentlich schon lang nochmal lesen. Aber ich trau mich nicht ran.

    "Oliver Twist" hat mir ebenfalls gefallen.

    "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" hat meine Mutter in der Schule gelesen. Ich finde das Thema Schullektüren sehr spannend, weshalb ich das Buch auch gern mal lesen würde. Aber ich glaube, meine Mutter fand das Buch auch schrecklich, daher habe ich bisher doch nie dazu gegriffen.

    Von deiner Leseplanung für 2019 interessiert mich auch einiges. Vor allem das Bildnis des Dorian Gray möchte ich noch lesen.

    Der große Gatsby habe ich im November gelesen, aber ich fand es ehrlich gesagt furchtbar :D Ich bin gespannt was du darüber erzählst.

    Liebe Grüße
    Julia

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    1. Das zwischen den Zeilen lesen habe ich seit der Schulzeit auch etwas verlernt bzw. ich achte da auch nicht mehr bewusst drauf. Allerdings lese ich hinterher fast immer im Internet, was an Hintergründen zu den Werken besteht. :)

      Ich berichte natürlich wieder, wie mir die weiteren Werke gefallen haben. Auf Gatsby bin ich auch schon gespannt, weil das Buch doch deutlich dünner ist als ich erwartet hatte. :D

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  2. Liebe Alica,

    Hesse ist einer meiner Liebslingsautoren! ♥ ♥ Siddartha ist großartig.
    Wusstest Du, dass Unterm Rad autobiographisch ist?
    Vor Dr Jekyll und Mr Hyde habe ich mich lange, lange gedrückt, es aber dann auch letztes Jahr gelesen und ich war begeistert!
    Oliver Twist habe ich in der Schule gelesen und ich fand es damals sehr gruselig.
    Kennst Du den Manesse Verlag vom Bloggerportal? Großartig aufgemachte Klassiker. Vielleicht ist das was für Dich?.
    "The Picture of Dorian Gray" von Oscar Wilde und "The Great Gatsby" von F. Scott Fitzgerald stehen schon lange auf meiner Lese-es-mal-Liste. :D Vielleicht wird es ja dieses Jahr etwas. Ich muss sagen, ich finde es gut, dass Du Dir nur 6 Klassiker vornimmst. Ich hatte 2018 bei einer Klassikerchallenge teilgenommen. Am Anfang lief das gut, doch ab der Hälfte des Jahres nicht mehr. Es ist vielleicht eine Idee, mir eine handvoll Klassiker rauszusuchen, die ich lesen will.

    Ich wünsche Dir ein gutes neues Jahr!
    Alles Liebe
    Petrissa

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    1. Ich werde auf jeden Fall auch noch mehr von Hermann Hesse lesen! Sein Stil gefällt mir total! ♥
      Dass "Unterm Rad" autobiografisch ist, wusste ich nicht - aber das wirft nochmal ein anderes Licht auf den Inhalt! :D
      Den Manesse Verlag kenne ich noch nicht, da schaue ich gleich mal! Danke für den Tipp! ♥
      Ich finde, auf Klassiker muss man einfach Lust haben und sich auch die Zeit dafür nehmen. Sonst liest man sie eh nicht oder findet keinen Gefallen daran. Daher reichen sechs Werke pro Jahr durchaus aus. Und mehr lesen geht ja immer, wenn es sich ergibt. ;)

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