Mittwoch, 10. Februar 2021

[Geplauder] Kleiner Einblick in meine Arbeit.

Die Frage nach dem Beruf wird ja bei neuen Bekanntschaften immer mit als erstes gestellt. Ein Stück weit macht unsere Arbeit auch uns als Menschen aus und ist zudem ein guter Aufhänger für Smalltalk. ;-)
Meine Antwort ist stets: "Naturschutzfachliche Gutachten für Windenergieanlagen schreiben."
Leider kann sich da kaum jemand etwas drunter vorstellen. Und es ist auch nur meine aktuelle Hauptaufgabe.
Heute will ich euch daher gerne mal einen Einblick in meine Arbeit geben, in der Hoffnung, dass danach jeder weiß, was ich mache. :-)

Als Hintergrund: Es gibt nicht DIE Ausbildung für mein Berufsfeld. Ich habe Agrarwissenschaften in der Fachrichtung Umweltwissenschaften studiert, was mich im eigentlichen Sinne dazu befähigen sollte, Landwirte bezüglich Boden- und Gewässerschutz zu beraten oder in der Forschung zu Boden-, Gewässer- oder Naturschutz (stets vor allem bezogen auf landwirtschaftliche Nutzungen) zu arbeiten.
Da es aber nach meinem Abschluss nicht einfach war, überhaupt Arbeit zu finden und ich nicht an der Uni als Doktorantin bleiben wollte, habe ich mich auf alles beworben, was ich finden konnte und das irgendwo mit Umweltschutz zu tun hatte. :'D
Meine Kolleg*innen haben z.B. Geografie, Biologie, Landschaftsplanung oder ähnliches studiert. Ein normale Ausbildung, also ohne Studium, gibt es hierfür m.W.n. nicht.

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Ich arbeite in einem Büro für Umweltplanung. Heißt grob gesagt, wir schreiben Gutachten zu Bauvorhaben oder anderen Eingriffen in die Natur und begleiten diese sowohl in der Beratung als auch in der Ausführung. Wir sind nur im weitere Sinne Naturschützer:innen und vorallem Dienstleiter:innen. 
Ich habe dabei zwei Aufgabenbereiche:
1.) Windenergieplanung
2.) Bauleitplanung
Beides erkläre ich euch jetzt näher. 

1.) Windenergieplanung
Quelle: Pexels auf Pixabay

Der Bau und Betrieb von Windenergieanlagen richtet sich in Deutschland nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Für die Genehmigung müssen diverse Gutachten erstellt und bei der Genehmigungsbehörde eingereicht werden. Zu diesen Gutachten gehören auch Unterlagen zum Umweltschutz, insbesondere zum Artenschutz, welcher sich wiederum nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) richtet. Ich vermute, fast jeder hat schon mitbekommen, dass v.a. Vögel und Fledermäuse mit Windenergieanlagen kollidieren und dadurch zu Tode kommen können. In Deutschland sind davon ganz besonders der Seeadler und der Rotmilan betroffen. Für die Genehmigung wird daher ein Artenschutz-Gutachten erstellt, in dem das Vorkommen von Vögeln und Fledermäusen an den geplanten Standorten der Anlagen im Vorfeld nach behördlichem Standard untersucht und dann ausgewertet wird. Meine Aufgabe ist die Auswertung und darauf aufbauend die Formulierung von Maßnahmen, damit die Anlagen gebaut werden können. Zum Beispiel können Abschaltvorgaben für die Windenergieanlagen in der Genehmigung festgesetzt werden, d.h. dass z.B. bei landwirtschaftlichen Aktivitäten, durch die Vögel angelockt werden können, die Anlagen ausgeschaltet werden müssen. Das ist einer der Gründe, warum an manchen Tagen auch bei Wind Anlagen stillstehen.
Neben Vögeln und Fledermäusen können auch Amphibien oder andere Säugetiere (in S-H z.B. die Haselmaus, in NDS z.B. der Feldhamster) durch die Errichtung der Anlagen, also durch den Flächenverlust, betroffen sein. Auch das untersuchen wir.

Neben dem Artenschutz-Gutachten werden für die Genehmigung sogenannte Landschaftspflegerische Begleitpläne (LBP) erstellt, in denen auch weitere Schutzgüter nach dem BImSchG untersucht werden (Wasser, Boden, Biotope, Klima/Luft, Landschaftsbild). Zudem wird im LBP der Kompensationsbedarf errechnet, also in welchem Umfang der Anlagenbetreiber Kompensationsmaßnahmen umsetzen muss. Dies richtet sich in Schleswig-Holstein nach dem Flächenverbrauch für die Erschließung (Neuanlage von Wegen sowie den "Standflächen" für die Windenergieanlagen) sowie nach einer Kompensation für den Naturhaushalt, welcher sich nach den Anlagenmaßen berechnet und quasi einen Umkreis um die Anlagen beschreibt, in dem der Naturhaushalt durch das Vorhandensein der Anlage beeinträchtigt wird.
Ihr merkt vllt, dass ich immer "in Schleswig-Holstein" schreibe, denn jedes Bundesland regelt die Kompensationsberechnung und die Art der Artenschutz-Erfassungen anders.

Als weiteres Gutachten sind für Windenergieanlagen Umweltverträglichkeits(vor)prüfungen nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) erforderlich. Diese decken sich überwiegend mit dem LBP, es werden als zusätzliche Schutzgüter aber noch der Mensch und Denkmale betrachtet. Unter das UVPG fallen verschiedene Vorhabentypen, z.B. auch Kraftwerke, Mastbetriebe oder Bergbau, für die von vornherein nicht auszuschließen ist, dass sie erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten. Daher sind für diese Vorhabentypen noch die Gutachten nach dem UVPG zu erstellen.

Zusammenfassend ist meine Aufgabe in der Windenergie also das Schreiben von Artenschutz-Gutachten, Landschaftspflegerischen Begleitplänen und Umweltverträglichkeits(vor)prüfungen.

Seltener werden durch die Lage der geplanten Windenergieanlagen auch Natura2000-Verträglichkeits(vor)prüfungen notwendig. Und zwar dann, wenn die Anlagen in der Nähe von Natura2000-Gebieten liegen sollen. Natura2000-Gebiete sind FFH- und Vogelschutzgebiete nach europäischen Vorgaben, die - wie auch Naturschutzgebiete - unter strengem Schutz stehen.

95% meiner Zeit verbringe ich übrigens am Schreibtisch. Die Erfassung der Tiere übernehmen ausgebildete Kartierer für mich. Was ich ab und an mache, sind Biotoptypen-Kartierungen. Da wird im Umfeld der geplanten Anlagen untersucht, welche Biotoptypen vorkommen. Denn je nachdem was später durch die Erschließung betroffen ist (= weg kommt) richtet sich nach den Biotoptypen der Umfang der Kompensation. Zum Beispiel muss man weniger Kompensation erbringen, wenn man Ackerflächen überbaut, als wenn man wertvolles Grünland nutzen will.

Neben dem Schreiben der Gutachten bespreche ich die Projekte natürlich mit den Auftraggebern und stimme Kompensation oder Artenschutz-Maßnahmen mit den zuständigen Behörden ab.
Rotmilan, gut zu erkennen am gegabelten Schwanz (Quelle: TheOtherKev auf Pixabay)

2.) Bauleitplanung
Hiermit hat meine Karriere ursprünglich begonnen. Denn nach dem Studium war ich zwei Jahre in einem Büro für Bauleitplanung. Der Unterschied zu der Windenergie ist, dass sich in der Bauleitplanung alles nach dem Baugesetzbuch (BauGB) richtet. Bauleitplanung heißt kurz gesagt auch erstmal nur "bauen wollen". Natürlich kann man nicht bauen, was und wo man will. Sowas ist in Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen geregelt. Jede Stadt/Gemeinde muss, wenn sie etwas bauen will, einen Flächennutzungs-/Bebauungsplan aufstellen, der die Flächennutzung regelt. Der Flächennutzungsplan ist dabei die übergeordnete Planung, die pro Stadt/Gemeinde festlegt, wo z.B. Wohnbauflächen sein dürfen und wo Landwirtschaft. Aufbauend auf dem Flächennutzungsplan muss dann ein Bebauungsplan erstellt werden, der konkreter regelt, was in dem Teilbereich des Flächennutzungsplans gebaut werden soll, z.B. im Wohngebiet (Flächennutzungsplan) Einzelhäuser mit roten Dächern und drei Stockwerken (Bebauungsplan). Aufbauend auf den Bebauungsplänen können dann Baugenehmigungen erteilt werden.
Sowohl Flächennutzungs- als auch Bebauungspläne bestehen aus einer Planzeichnung und einer Begründung. In der Begründung wird beschrieben was geplant ist und weshalb. Darin enthalten ist auch ein Umweltbericht, der inhaltlich mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVPG nahezu identisch ist. Daher muss für einen Bebauungsplan auch nur der Umweltbericht und nicht wie bei der Windenergie LBP und Umweltverträglichkeitsprüfung erstellt werden.

Auch aktuell mache ich neben der Windenergie Bauleitplanung nebenbei und erstelle dadurch auch Gutachten für z.B. Wohn- und Gewerbegebiete oder als aktuelles Beispiel für einen Begräbniswald oder einen Reitbetrieb.
Für Bauleitplanungen muss ich zudem immer mal wieder an Stadt-/Gemeindevertreter-Sitzungen teilnehmen und da unseren Umweltschutz-Teil vorstellen.

Übrigens kann man auch für Windenergie Bebauungspläne aufstellen, was aber nur selten vorkommt, da die Lage von Windenergie-Nutzungen in den Regionalplänen durch die Landesregierung geregelt ist. Es werden also übergeordnet von der Landesregierung Flächen ausgewiesen. Über einen Bebauungsplan könnten Gemeinden/Städte dann nur noch regeln, wie hoch die Anlagen bei ihnen z.B. werden dürften.

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Ihr habt vielleicht bemerkt, dass ich mit ziemlich vielen verschiedenen Gesetzen zu tun habe. Ich kann aber eigentlich keine Paragrafen auswendig, weiß aber immerhin, wo alles steht. :D Wer schon immer mal mehr über die deutschen Gesetze wissen wollte, kann sich die, die ich oben erwähnt habe, hier mal anschauen:
Daneben muss ich natürlich auch das jeweilige Landesnaturschutzgesetz kennen. Und diverse Erlasse und Verordnungen.

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Habt ihr alles nachvollziehen können? Ich habe versucht, mich kurz zu fassen. >.>
Habt ihr noch Fragen?
Und am wichtigsten: Habt ihr euch unter meiner Antwort ganz oben einen so bürokratischen Job vorgestellt? :D

7 Kommentare:

  1. Danke für diesen schönen Einblick, ich finde die ganze Materie hochinteressant. Leider war ich naturwissenschaftlich immer eine Niete, ich bin mehr im sozialwissenschaftlichen und sprachlichen Bereich unterwegs gewesen. Umso schöner, wenn es mir jemand näher bringt und dann so informativ. Wenn es nach mir geht, darfst Du gern noch mehr davon erzählen. Gerade was Windräder anbelangt interessiert mich so einiges. Aber auch wie Daten zusammengetragen und ausgewertet werden. Wer eigentlich die Parameter festlegt etc. Dass man studiert haben sollte, macht für mich Sinn.
    Privat habe ich Superlaie gerade gelernt, wann für die Politik ein Baum ein Baum ist und wann nur Gestrüpp. Ich wusste nicht mal, dass man da Unterschiede macht, aber klar, alles ist geregelt. :)
    Ich dachte, um auf Deine Frage einzugehen, nicht, dass es über 90% Büro ist, ich dachte, es teilt sich fifty fifty auf. :) Aber Spaß scheint es ja trotzdem zu machen, also von daher alles gut. Was würdest Du Dir denn selbst von Deinem Job wünschen, was noch besser ginge?

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    1. Freut mich, dass meine Zusammenfassung gelungen ist. :D Ich finde es nämlich gar nicht so einfach, mich kurzzufassen...
      Gerne überlege ich mir noch weiteren Input dazu. Natürlich kann ich kein reales Projekt hier teilen, aber vllt denke ich mir mal ein fiktives Beispiel aus und erkläre daran noch ein bisschen mehr. :)

      Hehe, ja, das stimmt. :D Aber was "Baum" ist und was nicht variiert auch von Gemeinde zu Gemeinde bzw. manchmal auch von Bundesland zu Bundesland. ;)

      Dadurch dass ich halt in erster Linie Agrarwissenschaften studiert habe, bin ich ins Gutachten schreiben hineingerutscht. Wer Biologie studiert hat, ist da meistens für Erfassungen an der frischen Luft besser vorbereitet. Wenn ich könnte, würde ich natürlich auch mehr draußen sein, aber v.a. bei Vogelarten erkennen bin ich eine Niete. XD

      Daher fände ich es grundsätzlich super, wenn wir öfter die Gelegenheit hätten, auch mal bei unseren Vogel- und Fledermaus-Fachleuten mitzugehen und die Erfassungen zu begleiten. Aber das dürfen wir von der Chefetage nur, wenn wir ansonsten nichts zu tun haben. Was leider so gut wie nie vorkommt. In den Nachrichten heißt es zwar immer, dass der Windkraftausbau stockt - was auch stimmt - aber nicht so sehr, dass wir nicht genug zu tun hätten. Tatsächlich gibt es in Schleswig-Holstein auch nur 3 Büros, die in größerem Umfang für die Windkraft Gutachten schreiben. Und wir hier oben bauen ja noch relativ viel Windkraft, so im Vergleich zu Bayern z.B. :)

      Und ansonsten stört mich v.a. die teilweise stark variierende Meinung der oberen Naturschutzbehörde. Die geben über Erlasse und Leitfäden vor, wie wir zu erfassen und auszuwerten haben und leider kommt es besonders in letzter Zeit zunehmend vor, dass die sich untereinander uneinig sind oder plötzlich ganz andere Vorgaben machen als noch vor einem Jahr. Gerade gestern hatten wir wieder einen Termin mit denen zu zwei Projekten und haben hinterher nur noch den Kopf geschüttelt... :/

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  2. Woah voll spannend, danke für den Einblick =D

    Hab eh nie verstanden, warum ich Gesetze genau auswendig lernen soll, wenn ich doch weiß, wo alles steht xD

    Was macht dir mehr Spaß von den zwei Bereichen? Und wenn du völlig frei entscheiden könntest, was würdest du machen? Genau das? Was anderes? ^^

    Winterliche Grüße
    Vivka

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    1. Gerne, freut mich, dass du den Text gelesen hast! :D

      Ich hatte eigentlich nie große Pläne, was ich mal beruflich machen wollte. Klar war nur immer, dass es etwas naturwissenschaftliches sein soll, weil ich mit anderen Menschen nicht so gerne arbeite, also irgendwas soziales wäre nichts für mich. XD Jedenfalls bin ich sowohl in mein Studium als auch in meinen Beruf eher zufällig reingeraten. :D Dass es mir zufällig trotzdem Spaß macht, ist natürlich super. :D Mittlerweile weiß ich auch, dass ich etwas machen möchte, dass gesellschaftlich irgendwo relevant ist. Daher gefällt mir von beiden Bereichen meistens die Windkraft besser, da ich zumindest einen kleinen Anteil zur Energiewende beitragen kann. :) Unter Bauleitplanung fallen halt alle möglichen Planungen und wenn ich zum x-ten Mal ein Gewerbegebiet mitplanen soll, obwohl überall von problematischen Flächenverlusten und zunehmender Versiegelung geredet wird, fällt mir das schon schwer. Andere Planungen sind da aber wiederum recht cool, wie z.B. so ein Begräbniswald. :D

      Wenn ich aber mit meinem heutigen Ich nochmal neu anfangen könnte, würde ich allerdings vllt versuchen, Rechtsmedizinerin zu werden. :D
      Ansonsten könnte ich mir noch vorstellen, irgendwann nochmal in die Forschung zu gehen, dann aber im Bereich Ökologie, am liebsten von Meeressäugetiere. :)

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    2. Rechtmedizin? Spannend, wie kommt es dazu? ^^

      Und ja verstehe ich ... mir wurde immer gesagt, mach was mit Menschen, kannste gut xD Na ja, vlt, aber irgendwie dann wieder auch nicht, also ja xD

      Ist ein Begräbniswald sowas wie es klingt? ^^

      Und hey, ob zufällig oder nicht, Hauptsache du fühlst doch wohl damit =)

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    3. Ich habe in den letzten Jahren ein ziemliches Interesse für Medizin entwickelt und kann mir sowas irgendwie auch mega gut merken. Aber wenn ich mich dann frage, was für eine Ärztin ich würde sein wollen, fällt mir nichts ein, weil ich ja überall mit lebenden Menschen zu tun hätte. XD Rechtsmedizin ist da viel interessanter: niemand, der dich mit seinen Wehwehchen nervt, Ruhe bei der Arbeit und halt Spurensuche nach der Todesursache. Finde ich insgesamt ziemlich cool. Aber ich fürchte, meine Nase würde streiken. :'D
      Ansonsten ist mein Abi eh meilenweit davon entfernt, mich für ein Medizinstudium zuzulassen und Rechtsmediziner werden eh super selten gesucht...

      Jep, ein Begräbniswald ist ein "Friedhof". Die Totenasche wird in biologisch abbaubaren Urnen unter Bäumen vergraben.

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    4. Ich glaube ja, man würde sich dann an den Geruch schon gewöhnen ... aber ich verstehe das Problem mit Abi und Stellen sehr gut, ist ja doch recht selten bzw es braucht eben nicht Massen von diesem Beruf, abser spannend ist es auf jeden Fall, da gebe ich dir sofort recht =)

      Das finde ich cool. Möchte nach meinem Tod auch ein Baum werden oder zumindest für Dünger sorgen ^^

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