Montag, 21. Dezember 2015

[Rezi] "Du" von Zoran Drvenkar

(c) Bildrechte: Ullstein Verlag
"Du"
von Zoran Drvenkar
Verlag: Ullstein, 2010
Einzelband
576 Seiten

~Klappentext~
"Nimm einen Mann, der durch ganz Deutschland reist und keine Gnade kennt. Wo er hinkommt, bleibt niemand am Leben. Nenn ihn Der Reisende, mach ihn zum Mythos und fürchte ihn. Nimm fünf Freundinnen, die erst dem Chaos die Tür öffnen und dann die Flucht ergreifen. Nenn sie Die süßen Schlampen und meide sie. Nimm einen Vater, der verfolgt wird von seiner Vergangenheit und über Leichen geht, um sein Ziel zu erreichen. Und jetzt stell dir vor, er will die fünf Freundinnen aufhalten. Um jeden Preis. Nenn ihn Der Logist und meide ihn. Sie alle bewegen sich aufeinander zu, sie sind voller Rache und haben keine Ahnung, dass du sie beobachtest."
~Meine Meinung~
Gleich zu Beginn: Die Erzählperspektive ist "du" - wie der Titel ja vllt erahnen lässt. ;) Das ist anfangs sehr gewöhnungsbedürftig und ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor ein Buch in dieser Perspektive gelesen zu haben. Jedes Kapitel wird dabei aus der Sicht eines anderen "du" erzählt. Um wen es sich handelt, sagt jeweils der Titel des Kapitels. Fünf junge Mädchen, ein Reisender, ein Mann mit seiner Mafia-Gang, dessen Sohn und ein Freund dessen sowie zwei scheinbar zufällig in die Geschichte gestolperter Junge. Ich glaube, das sind alle Charaktere, die eine erzählende Rolle haben. Sobald man sich an all die Charaktere gewöhnt hat, verliert man den Überblick auch nicht mehr. Anfangs war es jedoch schon etwas schwierig, sich zurechtzufinden. Auch durch die ungewohnte Erzählperspektive. Diese wirkt sehr persönlich, da man direkt angesprochen wird. Aber auch daran kann man sich nach einigen Kapiteln gewöhnen.

Man muss sich die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Personen erst nach und nach erarbeiten. Das gelingt aber meiner Meinung nach gut. Ich mag es aber auch, wenn man nicht alles vorgekaut bekommt, sondern selbst etwas aufpassen muss.

"Der Reisende", der immer zu Beginn jedes Buchabschnitts ein Kapitel bekommt, ist am mysteriösesten und es dauert eine ganze Weile, bis seine Rolle in der Geschichte bekannt wird. Er ist einer der besonders kalten Menschen, die ohne zu zögern von einer Sekunde auf die andere beschließen, einen Massenmord zu begehen. Ihn fand ich am interessantesten und je mehr ich über ihn erfahren konnte, umso mehr konnte ich verstehen oder zumindest ahnen, wieso er handelt wie er handelt. Die Abgründe menschlicher Psyche sind eben doch manchmal sehr tief.

Die Handlung an sich braucht eine Weile, um sich zu entwickeln. Dass man so lange im Halbdunkel gelassen wird, macht das Buch spannend. Man möchte wissen, wie die Personen zusammen hängen, worauf alles hinaus läuft. Die einzelnen Stränge lassen sich anfangs überhaupt nicht zusammenbringen.

Leider fand ich, dass das Buch ab einem bestimmten Punkt, wo man eine Teilauflösung bekommt, etwas an Spannung verlor. Das war kurz vor dem Ende, so bei ca. Seite 400. Von da an musste ich mich fast schon zwingen, weiter zu lesen, weil ich keinen Sinn mehr darin sah. Es war für mich recht klar, wie es ausgehen würde. Das Ende ist dann aber immerhin sehr passend und zumindest ein halbes Happy End.

Sprachlich ist der Roman - wie man es von Zoran Drvenkar kennt - klasse. Er vermag es perfekt, auch die tiefsten, dunkelsten Gefühle in Worte zu packen, die man förmlich spüren kann. Dadurch ist es möglich, die Charaktere zu verstehen, mit ihnen zu fühlen. Und die Stimmung, zwischen bedrohlich-düster und heiter-fröhlich (einige der Szenen mit den fünf Mädchen, die albern miteinander scherzen) wechselnd, bekommt er immer wieder hervorgerufen.

Man wird zu dem "Du" und erlebt die Handlung hautnah mit. Wenn mich das letzte Drittel nicht so angestrengt hätte, wäre das Buch 5 Sterne wert. So sind es nur...

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